Januar 2023
von Franz Eisele 203 Unsere Ortschaft war von ihrer Gründung an landwirtschaftlich geprägt. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges 1945, nach dem Zusammenbruch der privaten Wirtschaft, der Enteignung von Haus und Hof, des gesamten Viehbestandes, der landwirtschaftlichen Geräte und Maschinen begann die Zwangskollektivierung (ab 1946 bis 1950). Die Bauern wurden vollständig und entschädigungslos enteignet. 1946 wurde die Ortschaft mit rumänischen Kolonisten besiedelt. Die Jugend wollte nicht mehr in der Landwirtschaft arbeiten und so suchten viele neue Aufgaben und Arbeitsplätze in der Stadt. Es blieben fast nur noch ältere Bewohner für die Arbeit in der Landwirtschaft übrig, hauptsächlich viele Frauen. Der Prozess der Kollektivierungsmaßnahmen dauerte bis 1962 und unter massivem Druck wurden alle im Dorf gebliebenen Arbeitskräfte aufgefordert in die „Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft“ einzutreten. Auch die deutschen Bauern wurden aufgenommen, schließlich brauchte man ja deren Wissen und Arbeitskraft. Saderlach blieb trotz allen Änderungen und Umwälzungen weiterhin eine landwirtschaftliche Ortschaft. Anbei ein Auszug aus dem roten Buch “Saderlach 1737 - 1987“ von Johann Burger, Seite 261 ….Rückblickend kann man nur feststellen, daß viele Deutsche in der Saderlacher Kollektivwirtschaft leitende Funktionen hatten, daß es ohne ihre Verläßlichkeit und Tüchtigkeit wohl anders verlaufen wäre. Dies zeigt allein schon die organisatorische Struktur. Die LPG Saderlach hatte 3 bis 4 Feldbrigaden, 1 Gemüsebrigade, 1 Baubrigade und 2 zootechnische Brigaden. Jeder dieser Arbeitsbrigaden stand ein Brigadier vor, in Saderlach meistens ein Deutscher. Erwähnt seien die Brigadiere Josef Eisele, Johann Morath und Josef Mergl. Nachdem diese in die Bundesrepublik auswanderten, folgte Andreas Burger, der bis zu seiner Auswanderung Lagerverwalter (Magaziner) der LPG war. Josef Winterhalter leitete bis zu seinem Abgang 1970 die Baubrigade. Unter seiner Regie wurde der 30 Tonnen fassende Wasserturm der LPG errichtet, unzählige Bauten folgten. Franz Eisele (390) schaffte es am längsten, 27 Jahre leitete er die Tierzuchtbrigade. Als einer der letzten verließ Johann Steinkampf 1985 die Kollektivwirtschaft. Ihm unterstand 13 Jahre lang der Gemüsebau, bis er 1975 von einem jungen Ingenieur abgelöst wurde. Eine Familie nach der anderen verließ Saderlach und damit zogen meistens die verläßlichsten Arbeitskräfte der LPG fort. Die Situation der Mitglieder erreicht inzwischen seinen Tiefstand. Konnte man in den siebziger Jahren noch einigermaßen von den Einkünften leben, so ist dies heute längst anders geworden. 1971 hatte die LPG Saderlach noch Reingewinne von 7.885.000 Lei zu verbuchen, davon wurden 1.866.938 Lei an die knapp 800 Mitglieder ausgezahlt. Noch 1982 erreichte man Erträge von 6.100 kg Weizen und 6.900 kg Mais pro Hektar. Davon konnte noch ein geringer Teil an die Mitglieder verteilt werden. Schon 1983 durften die Mitglieder höchstens 130 kg Weizen beziehen, es wurde von Jahr zu Jahr immer weniger. Auch die ländliche Bevölkerung wurde von den harten Sparmaßnahmen getroffen. Alles ist inzwischen rationiert. Neben den geringen Einkommen stehen den Mitgliedern jetzt noch ½ L Öl (Sonnenblumenöl) und ½ kg Zucker pro Monat zu. Kein Wunder, daß allgemeine Ratlosigkeit eingetreten ist. Die Entwicklung steuert einem hoffnungslosen Ende entgegen. Mir klingen noch deutlich die Worte eines ehemaligen rumänischen Knechtes meines Großvaters in den Ohren: „Hannsivetter, ach könnten wir doch noch einmal so essen, wie wir damals als Knechte bei Euch gegessen haben!“ So zieht man denn von diesen Schollen mit weniger Wehmut, denn es scheint, die 250-jährige Urbarmachung soll zurückgedreht werden. Innerlich hat man auf das Erbe der Väter längst verzichtet, man ist frei von jedem Haß und Neid, vom Besitz geheilt. Frei will man weiterleben! -------------------------------------------------------------------------------------- Franz Eisele ( 390 ) war der allerletzte, der die LPG verließ. Er war seit 1958 dabei und arbeitete bis zu seiner Auswanderung im Februar 1990. Als diese Zeilen geschrieben wurden (1987), konnte niemand Ahnen dass 1989 der Kommunismus zu Ende ging und die ganze kommunistische Ordnung im Staub der Geschichte verschwand. Heute (2023) sind die größten landwirtschaftlichen Flächen der LPG privatisiert. Bilder aus dem Fotoarchiv der HOG Saderlach
Kollektiv
Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (Kollektiv)